Bisher markierte die von Roberto Lardelli 1987 entdeckte Fahlseglerkolonie an der Kirche San Pietro Abate in Locarno die nördliche Verbreitungsgrenze dieser südlichen Vogelart. Locarno war gleichzeitig der einzige bekannte Brutplatz in der Schweiz. Nun scheint die Art weiter nach Norden vorzustossen. In den Hohlräumen unter den Dachvorsprüngen am Schlosskeller des Stockalperplastes und einem Nachbargebäude scheint die Art ihr zusagende Bedingungen gefunden zu haben. Desgleichen scheint sich auch in Genf eine kleine Kolonie etabliert zu haben. Südliche Arten erweitern ihre Verbreitungsareale Richtung Norden. Die Klimaerwärmung ist vermutlich der Hauptgrund dieser Verschiebung.
> Link Vogelwarte Südliche Arten verschieben sich nach Norden
Der Fahlsegler stand schon seit Jahren auf meinem Radar, aber die Gelegenheit in Locarno mal einen Tag diesem eleganten Vogel zu widmen, hat sich nicht ergeben, oder die lange Zugfahrt hat mich bisher davon abgehalten. Brig ist von Thun mit dem ÖV natürlich easy zu erreichen, also dann mal hin, der Stockalperplast ist ja schon als sehenswertes Bauwerk einen Besuch wert.
Fazit des Ausfluges: Ein spannender Tag bei schönstem Wetter, tolle Fahlseglerbeobachtungen, Fortbildung bezüglich Artbestimmung und sehr bescheidene Fotoausbeute und gleichzeitig Motivation, die lange Zugfahrt Thun-Locarno und zurück nun endlich mal auf mich zu nehmen. Bei meinen vorgängigen Recherchen bin ich im Web auf den interessanten Artikel von Ruedi Weiss gestossen.
> Link Ruedi Weiss Pfeilschneller Bote des Südens
Die mehr als acht Stunden Zugfahrt für die Hin- und Rückreise Thun - Bern - Zürich - Bellinzona - Locarno waren rückblickend eigentlich gut zu bewältigen. Viertel nach Neun traf ich in Locarno ein, ein kurzer Marsch durch die Altstadt und dann stand ich vor der Nordfassade der Chiesa San Pietro Abato. Ich installierte mich im Schatten der Kirche auf der andern Strassenseite, Kamera und Objektiv waren schussbereit auf dem Stativ montiert.
Nun galt es zuerst einfach mal zu beobachten, welche Löcher werden angeflogen, aus welchen Löchern fliegen Altvögel weg. In der ersten Viertelstunde war gar nichts los, auch über der Kirche zeigten sich keine Segler am Himmel. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Dann die Erlösung; kurz nacheinander fliegen zwei Segler aus zwei verschiedenen Löchern in hoher Geschwindigkeit ab und weg waren sie. Desgleichen in umgekehrter Reihenfolge, der Anflug erfolgte in gleich hoher Geschwindigkeit und pfeilschnell waren sie im Loch verschwunden. Mir war schnell klar, aus der Hand wird unter diesen Bedingungen keine Aufnahme möglich sein. Was für eine Taktik könnte denn die erfolgsversprechendste sein? Eigentlich blieb nur die Variante, die Kamera auf ein Loch zu richten, das offensichtlich beflogen wurde. Okay, gedacht getan. Kamera auf Serie gestellt, mechanischer Verschluss, 15 Bilder pro Sekunde. Nun stand ich da, den Finger auf dem Auslöser und wartete darauf, dass der Vogel wieder aus der Höhle abfliegen würde. Vielleicht muss er sich mit seinen langen Flügeln zuerst durch den engen Höhleneingang drücken, das wäre genau der Zeitpunkt um den Auslöser zu betätigen und sicher ein paar Sekunden nicht mehr loszulassen. Ich wartete, wartete fünf Minuten, oder waren es schon zehn Minuten? Hatte ich den Abflug verpasst? Ist der gar nicht am Füttern, sitzt er gar auf Eier einer möglichen Zweitbrut? Nicht nachlassen dachte ich, Konzentration ist die halbe Aufnahme, resp. in dieser Situation wohl die ganze. Das wird harte Arbeit! Die Fütterungsflüge liessen sich in der ersten Stunde an einer Hand ablesen. Mir wurde klar, es machte keinen Sinn, die Löcher zu wechseln. Ebenso zeigte sich, dass die fütternden Altvögel durchaus längere Zeit, fünf bis zehn Minuten, in der Höhle blieben, bevor sie diese wieder verliessen. Noch hatte ich keine Aufnahme auf der Speicherkarte, auf der mehr als Granit und Mörtel vor einem dunklen Loch zu sehen war.
In der rechten Schulter meldeten sich leichte Schmerzen, im Magen leichte Hungergefühle, Zeit für eine Pause. Sandwich in der linken, Fernglas in der rechten Hand suchte ich die Löcher ab, ob in einem allenfalls ein Seglerkopf zu sehen wäre. Zufall oder Intuition, in einem der Löcher schien sich etwas zu bewegen. Da war doch etwas das nach Federkielen und Flaum aussah. Sandwich ablegen, Kamera neu richten und abdrücken. Ein Jungvogel hatte sich bis zum Höhleneingang vorgewagt. Nun wusste ich, mindestens für diese Höhle, wie alt die Jungen in etwa waren. Mein Entscheid war logisch, von nun an werde ich mich nur noch auf dieses Loch konzentrieren. Es sollte ein Geduldsspiel werden... Die Turmglocken zeigten lautstark Zwölf Uhr an, kein Altvogel an meinem Loch. Ab und zu zeigte sich der Jungvogel. Mir wurde klar, die Fütterungsintervalle lagen sehr weit auseinander. Irgendwann wurde die Höhle angeflogen, der Altvogel verschwand darin. Ich aktivierte auf meinem iPhone die Stoppuhr um mal zu messen, wie lange der Altvogel im Nest verblieb. Bei dieser Fütterung waren es ca. 10 Minuten. Zwischenzeitlich hatte ich auf den elektronischen Verschluss mit 30 Bildern pro Sekunde umgestellt, wollte alle Möglichkeiten ausschöpfen. Die Stoppuhr sollte dann auch messen, wie lange der Altvogel, (waren es eigentlich zwei?) bis zur nächsten Fütterung wegblieb. Lange, sehr lange! Mehr als 45 Minuten wurde ich, in ständiger Bereitschaft den Auslöser zu betätigen, bezüglich Geduld und Ausdauer hart geprüft. Einzige Abwechslung bot der Jungvogel, der sich mit seinem Kotauswurf für die nächste Fütterung bereit machte.