Jedes Jahr wiederholt sich im Mai die Flugshow der Baumfalken, die im Gebiet Bonstettenpark - Gwattlischenmoos Jagd auf die aufsteigenden Imagos der Eintagsfliegen machen. Die Falken bei dieser Jagd zu fotografieren ist jedesmal eine echte Challenge. Meine Motivation das Gebiet mehrere Male aufzusuchen, wurde aber zusätzlich von der Gewissheit genährt, dass auch Rotfussfalken, auf ihrem Zug ins östliche Brutgebiet, im Gwatt einen Halt einlegen können. Meine Freude war natürlich gross, als mein Wunsch tatsächlich Gestalt annahm. Zwei männliche Rotfussfalken, ein Vogel ausgewachsen, einer im Kleid des ersten Sommers liessen sich den Eintagsfliegenschmaus nicht entgehen. Diese Gelegenheit wollte ich packen! Ich wusste, da musste ich Zeit und Geduld investieren, wie meistens eine Grundvoraussetzung zum Erfolg. Dem Glück lässt sich oft aber auch mit Taktik etwas nachhelfen.
Tag 1
Equipment bereitstellen, Stativ auf Gepäckträger festzurren, Fotorucksack umschnallen und los gings mit dem Fahrrad Richtung Gwatt. Zuerst holte ich an der Reception des Delta Parks den Schlüssel zum Beobachtungsturm im Gwattlischenmoos. Wollte mich erst mal schlau machen, ob die Falken noch da sind und wenn ja, deren Aktivitäten studieren. Wo ruhen sie, wie lange sind die Pausen, wo fliegen sie vorwiegend, kommen sie in die Nähe des Turms…? usw.
Erleichtert stellte ich erstmal fest, ja sie waren noch da! :-) Ein hohe Birke, ungefähr in der Mitte zwischen Turm und Südrand des Schutzgebiets stehend, war offenbar der bevorzugte Ruheplatz der beiden. Gefiederpflege war dabei ihre Hauptbeschäftigung und gleichzeitig auch die meinige, ihnen dabei mit dem Fernglas zuzuschauen. Dies war letztlich auf diese Distanz aber nicht sonderlich spannend. Stark flimmernde Luft machte die Aufgabe nicht einfacher, aber ich wollte den nächsten Abflug nicht verpassen. Der Tag war im Rahmen von Belegfotos relativ ernüchternd ausgefallen. Am nächsten Tag wollte ich mich beim Hide am Südrand installieren, vermutlich hätte ich dort am Morgen erst noch bessere Lichtverhältnisse.
Tag 2
Ausrüstung bereit, Velo bereit, derselbe Weg, die Fahrradbremsen quitschen fürchterlich, ein Clean and Check wäre angezeigt.
Ich beziehe wie geplant Stellung beim Hide am Südrand. Die beiden Rotfussfalken sind immer noch da, sitzen für die nächste halbe Stunde auf der Birke und machen keine Anstalten, sich mir mal im Flug zu zeigen. Warten, beobachten, warten. Zwischendurch suche ich zur Abwechslung nach dem dauerknarrenden Drosselrohrsänger im nahen Schilfgebiet. Konzentration sieht anders aus.
Aber was soll denn das jetzt? Die beiden Falken hatten die Birke verlassen und ich konnte es fast nicht fassen, flogen ihre Jagdrunden im Gebiet zwischen Birke und Bonstettenpark, den Beobachtungsturm umkreisend!? Soll ich sofort auf den Turm dislozieren? Erstmal Ruhe und kühlen Kopf bewahren dachte ich, schliesslich bewegen sich die Vögel im Sekundenbereich um das Schutzgebiet zu überfliegen und ich brauche mindestens eine halbe Stunde um mich zum Turm zu verschieben.
Okay, das Bild änderte sich auch in den nächsten zehn Minuten nicht. Alos packte ich meine Sachen zusammen, holte wiederum den Schlüssel im Delta Park und auf dem Turm angelangt, nahm ich zu Kenntnis, die beiden Rotfussfalken hatten es sich wieder auf der Birke gemütlich gemacht.
Die bettelnden jungen Blaumeisen im Nistkasten an der Dachstütze hinter mir und die eifrig Futter heranschleppenden Altvögel erinnerten mich an das im Rucksack wartende Sandwich. Fazit des zweiten Tages: Die beiden Falken hatten bezüglich Jagdgebiet keine Präferenzen, bezüglich Ruheplatz hingegen schon.
Tag 3
Nach zwei Tagen mit lauter Belegfotos, davon 98 % Papierkorbkandidaten, reifte der Entschluss, mich auf den Beobachtungsturm zu konzentrieren. Entweder haut es hin, oder dann eben nicht. Das tolle Erlebnis, Rotfussfalken ausgiebig bei ihrer Flugjagd beobachten zu können hatte ich ja bereits im Sack, mehr erachtete ich als glückliche Zugabe!
Mein Entschluss, mich auf dem Turm zu installieren war denn auch die richtige Entscheidung. Geduld brauchte es auch an diesem Tag. Aber in der Zeit zwischen zwei und drei Uhr gab es offenbar im näheren Gebiet rund um den Turm kurze Zeitphasen, wo Eintagsfliegen in Schwärmen hochgestiegen sind. Dies lockte umgehend sowohl Baumfalken wie auch die beiden Rotfussfalken an. Zu meiner grossen Ueberraschung war nun auch noch ein Rotfussfalkenweibchen 2. Kalenderjahr mit dabei. Jetzt ging die Post ab! Die jagenden Falken hielten mich auf Trab, trieben mich von einer Turmseite auf die andere, einfach so gut es geht draufhalten, versuchen die anfliegenden Vögel mit dem Fokus zu erfassen, scharf zu stellen, nicht zu verlieren, einfach auf gut Glück den Auslöser rattern lassen! Wow! Das waren spezielle Momente, Adrenalin pur! "Ohne Anstrengung keine Glücksgefühle!"