Nach Terekwasserläufer und Schachwürger im 2018 ist seit ein paar Wochen ein Mariskenrohrsänger in der Grangette der Star der Fotografen- und Orniszene. Der Tag war zu schön um ihn hinter dem Compi zu verbringen. Also wollte ich, zusammen mit Paul Hürlimann, mein Glück am Genfersee ebenfalls mal testen.
Glück, Geduld und die bis zuletzt aufmerksamen Augen von Paul brachten letztlich die erhofften Pics. Für einen ganz kurzen Moment zeigte sich der Vogel bei unserem Eintreffen, um sich dann, einfach so, für zweieinhalb Stunden unsichtbar zu machen. Buchstäblich "fünf vor zwölf" entdeckte ihn Paul am andern Ufer des Grand Canal, wo er sich hüpfend, flatternd und flink durch das Schilfgewirr bewegte, bevor er wie erhofft, den Schilfsaum auf unserer Seite anflog und uns doch noch mit einer Fotosession beglückte. Wow, was für eine tolle Show!
Ich kann mich, obschon dies Jahrzehnte zurückliegt, noch gut an meine erste Beobachtung eines Mariskenrohrsängers in der Schweiz erinnern. Anfangs der 60-er Jahre, genau genommen 1963, weilte ich mit zwei Jugendfreunden eine Woche auf einem Campingplatz am Sempachersee. Der älteste von uns drei Jungornis war 18 geworden und hatte sich bei der Vogelwarte für die Beringerprüfung angemeldet.
Der Bescheid kam schnell, es sei gut, wir müssten aber vor der Prüfung im kleinen Vogelwartereservat ein paar Tage Vögel fangen und beringen. Gesagt getan. Am Bahnhof Sempach Station mieteten wir ein Velo, auf dem wir zwischen Reservat und Vogelwarte hin- und her pendelten. Einer trat auf dem Fahrrad in die Pedale, der zweite sass vorne auf der Lenkstange und der dritte hinten auf dem Gepäckträger. Am Verbindungsrohr des Rahmens baumelten jeweils die Stoffsäckchen mit den Fänglingen.
Auf einer dieser Fahrten transportierten wir in einem der Säckchen ein ganz spezielles Vögelchen. Schilfrohr- oder Mariskenrohrsänger war die erste Diagnose. In der Vogelwarte ging es dann ans Bestimmen. Wir waren uns eigentlich schlüssig, die Handschwingenprojektion und andere Merkmale deuteten auf Mariskenrohrsänger. Um ganz sicher zu gehen, suchten wir eine Bestätigung durch eine Fachperson der Vogelwarte. Dass kurz darauf Professor U. Gutz von Blotzheim seinen Kopf rein streckte war Zufall. Sein pragmatischer Befund: Mariskenrohrsänger mit abweichender Handschwingenprojektion. Das traurige Ende ist schnell erzählt. Der Vogel starb für die Wissenschaft in einer Ovo-Büchse. Wir fuhren ins Reservat zurück und zogen für den Rest des Tages die Netze auf Halbmast...