"Ein "Katzensprung" von Thun entfernt und schon bin ich in einer anderen Welt. Ein kurzes Stück Weg und man ist allein. Dabei suche ich nicht die Einsamkeit, ich suche die Stille, die die Geräusche und Töne aus der Natur ungestört bis zu meinem Ohr dringen lässt.. Sich hinsetzen und mal einfach beobachten und abwarten, ob sich etwas regt. Ganz allein bin ich nicht; zwanzig Meter entfernt von mir, mal auf, mal halb verdeckt hinter der Krete, äst eine Steinbock-Geiss mit ihrem diesjährigen Kitz. Ab und zu schaut sie zu mir herüber. Offenbar vertraut mit Menschen, scheint sie aber trotzdem immer bereit zu sein, um mit ein paarSchritten in den Steilhang zum Justistal hinab, möglicher Gefahr zu entfliehen.
Ich mache meine Kamera bereit um ein paar Aufnahmen der beiden zu schiessen. Ich suche nach einem attraktiven Aufnahmeort, wenn möglich ohne blauen Himmel, lieber Ton in Ton mit dem Braun der Alpweide. Ich möchte möglichst naturnahe Aufnahmen, es sind ja zwei wilde Steinböcke und nicht Schafe. Gar nicht so einfach, bin jedenfalls nicht so recht überzeugt von meiner Arbeit.
Vom Justistal her vernehme ich das Kollern eines Birkhahnes. Auf dieser Steilhangseite des Niederhorns habe ich bisher noch keine Birkhühner angetroffen, aber warum nicht ein erstes Mal? Ich suche den Birkhahn mit dem Fernglas, offensichtlich zuerst viel zu weit weg. Ich wechsle meinen Standort und jetzt seh ich ihn, weit unten balzt er am Boden. Zum Fotografieren doch ziemlich weit entfernt. Ich schaue ihm zuerst bei seinen Balzsprüngen zu. Irgendwo muss ein Weibchen in der Nähe sein, er scheint ganz aufgeregt zu sein. Ich entschliesse mich, doch ein paar Aufnahmen zu machen, sei es nur versuchshalber, es kostet ja nichts. Die Bodenbalz bringt doch ein paar brauchbare Bilder, insbesondere die "Flughüpfer" haben eine gewisse Aussagekraft.
Er hat genau wie ich, einen Ort der Stille gesucht, er für eine ungestörte Balz und ich, um als stiller Betrachter ihm dabei zuzuschauen.